
Anton Stach ist ordentlich falsch abgebogen. Nicht im metaphorischen Sinne, also im Verlauf seiner fußballerischen Karriere, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Als ihn Bundestrainer Hansi Flick anrief, um ihn erstmals für die Nationalmannschaft zu nominieren, saß Stach laut eigener Aussage mit Teamkollege Anderson Lucoqui im Auto – und bug vor Überraschung falsch ab. „Total überrascht“ sei er selbst von seiner Nominierung gewesen. Er steht damit als einziger Mainzer im Kader für die beiden Testspiele gegen Israel und die Niederlande. Dabei wäre er beinahe in seiner Jugend tatsächlich „falsch“ abgebogen – und hätte sich fast für eine Tennis-Karriere entschieden.
Im Zwiespalt zweier Sportarten
Stach beginnt seine fußballerische Laufbahn in den Jugendmannschaften des Buchholzer SV. Doch eigentlich ist das für ihn eher nebensächlich, er zählt zu den größten deutschen Tennistalenten, steht unter den Top-10 in Deutschland in seiner Altersklasse. Das Tennis-Gen bekommt er dabei in die Wiege gelegt. Vater Matthias Stach war selbst süddeutscher Meister im Tennis, ist zudem als Kommentator bei den größten Turnieren der Welt aktiv. Er habe „definitiv auch im Tennis Chancen gehabt“, es bis ganz nach oben zu schaffen, erzählt der 23-Jährige später in einem Interview. Doch als das Jugendinternat von Werder Bremen Stach verpflichten will, entscheidet er sich dafür, sich nun ganz dem Fußball zu widmen – und damit gegen eine potenzielle Tennis-Karriere. Sein Trainer in der Werder-Jugend: Florian Kohfeldt. Der macht ihn zwar zum Kapitän der B‑Jugend, in der nächsthöheren Altersklasse kann sich Stach dann allerdings nicht mehr durchsetzen. Nach einem weiteren Jugendjahr beim VfL Osnabrück zieht es Stach 2017 in die Regionalliga zum SSV Jeddeloh II. In nur vier Jahren gelingt ihm von dort aus der Aufstieg in die Bundesliga.
„Blamier mich nicht Junge“
Nachdem der Mittelfeldspieler den Großteil der Saison als Stammspieler absolviert und vollends überzeugt, folgt die erste schwere Verletzung seiner noch jungen Karriere: Stach reißt sich den Meniskus. Trotz dieser Verletzung wechselt er im Sommer, ohne dort direkt eingreifen zu können, zur zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg. Auch dort wird Stach nach seiner Verletzung sofort Stammspieler, überzeugt mit Übersicht, Ruhe und einem guten Passspiel. Deshalb wird im Sommer 2020 Greuther Fürth auf ihn aufmerksam. Innerhalb von zwei Jahren ist Stach im Profifußball angekommen. Zunächst noch von der Bank kommend, profitiert Stach beim Kleeblatt von einer Verletzung seines Hauptkonkurrenten um die Sechser-Position, Hans Sarpei. Er etabliert sich im defensiven Mittelfeld und trägt seinen Beitrag zum Bundesliga-Aufstieg der Fürther bei. Die Belohnung: Er wird von Stefan Kuntz in den Kader für die U21-EM berufen. Als er dort im Spiel gegen die Niederlande eingewechselt wird, kommt es zu einer kuriosen Situation: Sein Vater Matthias, als Kommentator des Spiels im Einsatz, quittiert die Einwechslung mit den Worten: „Ich könnte jetzt sagen: Blamier mich nicht Junge.“
Die Geheimmission
Doch von Blamage kann keine Rede sein. Stach überzeugt und kommt in der Folge zu weiteren Einsätzen. Auch für das Fußballturnier der Olympischen Spiele wird der Noch-Fürther daraufhin nominiert. Nebenbei muss er, wie er selbst später erzählt, eine geheime Mission im James-Bond-Stil meistern. Stach hat nämlich eine Anfrage des Bundesligisten Mainz 05 vorliegen. Seine U21-Teamkollegen Jonathan Burkhardt und Finn Dahmen, beide ebenfalls Mainzer, sollen keinen Wind von der Sache bekommen – und dennoch will er von ihnen einen Eindruck vom Verein erhalten. „Ich wollte wissen, wie’s so ins Mainz ist, wie’s ihnen so gefällt. Ich habe das aber gut verpackt, so dass kein Verdacht entstand. Es sollte ja geheim bleiben, da wollte ich kein Risiko eingehen.“ Nach dem Olympia-Turnier tütet Mainz den Transfer dann ein. Kosten: Knapp drei Millionen Euro. Stachs Geheimmission wird also, im Gegensatz zum neuen Bond-Streifen, ein voller Erfolg.
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